Donnerstag, 7. Juli 2011

EU-Parlament entscheidet: Staaten sollen Anbau von Genpflanzen verbieten können

Ein großer Erfolg für alle Länder, die Gentechnik weiterhin von den Äckern verbannen wollen: Heute mittag hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit für eine deutliche Ausweitung der Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten der EU gestimmt, den Anbau auch zugelassener Gentechnikpflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten.
Die Europaabgeordneten nahmen wesentliche Änderungsvorschläge der liberalen Abgeordneten Corinne Lepage im Umweltausschuss zu dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission an. Dazu gehören vor allem die Änderung der Rechtsgrundlage: Der Anbau von GVOs soll künftig auf Grundlage der Umweltgesetzgebung der EU und nicht mehr der Binnenmarktgesetzgebung erfolgen. Eine detaillierte Liste der möglichen Verbotsgründe schließt sowohl Umweltrisiken als auch schädliche volkswirtschaftliche Folgen (soziökonomische Gründe) eines GVO-Anbaus mit ein. Zudem fordert das Parlament die Kommission und den Rat auf, sich für verbindliche Koexistenz- und Haftungsregeln beim GVO-Anbau einzusetzen und die überfällige Reform des zentralen europäischen Zulassungsverfahrens voranzutreiben.
So könnten Mitgliedsstaaten die zunächst zentral von der EU erteilte Zulassung des Anbaus von GVOs für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet ganz oder teilweise außer Kraft setzen. Bisher ist dies nur eingeschränkt und zeitlich begrenzt unter Berufung auf „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ über Gefahren für Gesundheit und Umwelt möglich.
Damit haben auch Abgeordnete der liberalen und konservativen Fraktionen für die zentralen Punkte des Berichts des Umweltausschusses gestimmt, so wie es über 66.000 Menschen in unserem Appell von ihnen forderten. Die Gentechnik-Industrie war hingegen bei den Abgeordeten Sturm gelaufen, weil sie befürchtet, dass er das endgültige Ende der Agro-Gentechnik in Europa einläuten könnte. Noch vor wenigen Tagen wollten die Fraktionen der Konservativen und Liberalen nur einem sehr verwässerten Vorschlag zustimmen. Eine Mehrheit konnten sie aber nur für einen Änderungsantrag der liberalen Fraktion gewinnen, der geringe Verschlechterungen gegenüber des Berichts des Umweltausschusses vorsieht, seine zentralen Punkte aber beibehält.
Wenn der Vorschlag des Parlamentes jetzt in die Tat umgesetzt wird, bedeutet dies vor allen Dingen, dass künftig jede Regierung in Europa selbst für einen möglichen Anbau von Gentechnik in ihrem Lande gerade stehen muss und die Verantwortung nicht mehr auf Brüssel schieben kann. Wenn sie den Anbau auf ihrem Territorium nicht untersagt, muss sie dies gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern unmittelbar vertreten.
Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss sich allerdings der Ministerrat der Regierungen darüber einigen. Danach wird sich das Parlament in zweiter Lesung damit befassen. Im Ministerrat hatten einige Regierungen rechtliche Bedenken gegen den Vorschlag vorgebracht, andere wollten grundsätzlich keine nationalen Regelungen zulassen. Letztere Gruppe wird von Deutschland angeführt. Wir werden also beobachten, wie sich die Bundesregierung im Ministerrat verhält und den öffentlichen Druck auf sie lenken, wenn Deutschland sich in dieser Frage als Blockiererland im Rat erweisen sollte. Außerdem werden wir weiterhin einfordern, dass das europäische Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen reformiert wird. Die Möglichkeit nationaler Anbauverbote darf nicht zu einer laxen Zulassungspraxis führen.
Doch erst einmal freuen wir uns über den politischen Erfolg! Vielen Dank an alle, die den Appell unterstützt haben und an die Menschen, die zusätzlich bei ihren Europaabgeordneten von CDU/CSU und FDP per Brief und Telefon nachgehakt haben.
Die SPD hat inzwischen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung auffordert, den Vorschlag des EU-Parlaments für erleichterte Anbauverbote zu unterstützen und weitere Maßnahmen zu ergreifen um Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht zu verankern (Pressemitteilung der SPD).

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